Das Auto aus Schweden

von Matthias Lorbach, Markranstädt und Werner Lorbach, Leipzig

Im Frühjahr 2011 erhielt der Oldtimerverein Markranstädt die Information, dass in Schweden ein MAF Baujahr 1908 zum Verkauf angeboten wurde. Ein Mitglied des Vereins nahm Verbindung zu einem Bekannten der schwedischen Familie in Deutschland auf. Nach längeren Verhandlungen bekamen wir unter mehreren Bewerbern den Zuschlag für den Kauf des Wagens. Für die schwedischen Besitzer, bei denen sich der Wagen seit 1914 im Familienbesitz befand, war ausschlaggebend, dass der Wagen nach 103 Jahren wieder an seinen Entstehungsort zurückkehrt.

Ein Markranstädter heimatverbundener und technisch interessierter Bürger war bereit, den MAF zu kaufen und dem Verein zur Verfügung zu stellen. Zudem gelang es dem Verein, zwei Markranstädter Firmen zu finden, die die Transportkosten übernahmen. Vom MAF selbst hatten wir bis dahin nur zwei Bilder gesehen und wussten, dass noch ein Ersatzmotor und einige Ersatzteile vorhanden waren.

Mit dem Besitzer in Schweden hatten wir den 05.10.2011 für die Abholung vereinbart. So starteten am 04.10.2011 von Markranstädt aus sechs Oldtimerfreunde mit zwei PKWs und Anhänger. Es ging nach Rostock, weiter mit der Fähre nach Gedser (Dänemark) Richtung Kopenhagen, dann über die Öresundbrücke nach Malmö (Schweden) über Helsingborg immer weiter nach Norden. In Jönköping verließen wir die Autobahn und fuhren bis es dunkel wurde. Die Nacht verbrachten wir in einem Hotel zirka 80 Kilometer von unserem Ziel entfernt. Am nächsten Morgen fuhren wir nach dem Frühstück sofort los. Die Spannung stieg mit jedem Kilometer, dem wir unserem Ziel näher kamen. Was würde uns erwarten?

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Den Ort Rudskoga, der in der Nähe von Kristinehamm liegt, erreichten wir gegen 10°°Uhr. Die Autobesitzer erwarteten uns schon. Wir hatten den Eindruck, dass sich die ganze Familie versammelt hatte.

In einem Schuppen, dessen Tor schon geöffnet war, stand der MAF. Er wurde von allen Mitreisenden sofort mit großem Interesse begutachtet. Der erste Eindruck war sehr positiv. Nachdem wir den MAF nach draußen geschoben hatten, stellte sich heraus dass es sich um einen Typ D3 Baujahr 1908 handelt. Bis auf die Nachrüstung mit elektrischer Beleuchtung, Blinker und der Bereifung mit Felgen war der MAF im Originalzustand.

OS52 Die Bereifung wurde wahrscheinlich Ende der 20er Jahre wegen Mangel an Wulstreifen umgerüstet. Die originalen Felgen und Lampen waren aber noch vorhanden. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, den Motor zu starten, kam der Opa der Familie mit dem Starterspray und der Motor sprang an. Er lief gleichmäßig und ruhig, bis auf die Tatsache, dass er aus dem Auspuff und der Auspuffklappe so stark qualmte, dass man den Eindruck erhielt, Schwedens Wald würde brennen. Nach einigen Fahrversuchen wurde der MAF von allen als „gut“ befunden.

Es stellte sich heraus, dass der Wagen noch zugelassen und bis in die Mitte der 60er Jahre das einzige Auto der Familie war. Danach ist der MAF nur noch gelegentlich gefahren. An Ersatzteilen waren noch ein Motor, eine Lenkung und diverse Kleinteile vorhanden. Diese stammten von einem MAF, der einst in Stockholm verschrottet wurde. Nach dem Verladen des MAF und der anderen Teile wurden wir noch zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Dabei wickelten der Käufer und die Besitzer den Kaufvertrag ab. Währenddessen erfuhren wir auch etwas über die Geschichte des MAF.

Der Erstbesitzer war ein Arzt, der den MAF für Fahrten zwischen Upsala und Stockholm und zu seinen Patienten verwendete. 1914 verkaufte der Arzt den Wagen an Emil Johannson aus Rudskoga. So kam er in die Familie, die wir aufgesucht hatten. Emil Johannson kam 1910 aus Alaska zurück, wo er als Goldgräber sein Glück versucht hatte. Er wurde deshalb „Alaska Emil“ genannt. Das Goldgräber Leben soll hart aber wohl auch erfolgreich gewesen sein. So konnte er sich den Traum von einem Auto verwirklichen. Auch war der MAF eine große Erleichterung für Emil, da er sich in Alaska Erfrierungen an den Füßen zugezogen hatte. Den MAF versandte man mit dem Zug von Stockholm nach Värmlandy Säby. Zur Abholung schickte der Besitzer sicherheitshalber zwei Ochsen als Zugtiere zur Bahnstation. Aber das Auto startete sofort und hatte in der Gegend einen beachtlichen Auftritt. Die schnelle Fahrt mit fast 50 km/h war imposant, und das Auto erschreckte sowohl die Menschen als auch die Tiere mit seiner rasanten Fahrt. So war das erste Auto in Rudskoga (Schweden) ein MAF aus Markranstädt in Sachsen.

Nun wurde es Zeit, uns zu verabschieden, denn es lag noch eine lange Fahrt vor uns. Wir freuten uns über den Neuerwerb, die Nachkommen von ,,Alaska Emil“ verabschiedeten sich mit Wehmut und auch Tränen in den Augen. Aber wir haben das Versprechen abgegeben, das Auto zu pflegen und immer gut zu behandeln.

Von nun an gab es für uns nur noch eine Richtung nach Süden. So erreichten wir am späten Abend Trelleborg. Mit der Nachtfähre ging es nach Rostock, wo wir am frühen Morgen anlegten. Nur durch Tankstopps unterbrochen, erreichten wir gegen 12³° Uhr am 06.10.2011 unser Ziel, die ehemalige MAF Fabrik in Markranstädt.

Schwedenfahrt000(1) Die Ankunft war ein bewegender Augenblick, als ein MAF nach 103 Jahren an seinen Entstehungsort zurück-kehrte, Wir wurden schon von einigen Vereinsmitgliedern, einem Fotoreporter der LVZ und einer Reporterin des MDR Fernsehens erwartet. Auch standen die zwei anderen MAF, Baujahr 1909 und 1911, zum Empfang auf dem Hof bereit. Jetzt stießen wir erst einmal mit einem Glas Sekt auf diese erfolgreiche Aktion an. Nach einigen Interviews mit der Reporterin des MDR Fernsehens über die Fahrt, die Fabrik, den Konstrukteur Hugo Ruppe und die Zukunft des Autos, gingen wir alle zufrieden und glücklich darüber, dass alles so gut abgelaufen war, müde nach Hause.

Am folgenden Freitag trafen sich die Mitglieder des Oldtimervereins zu ihrer monatlichen Versammlung. Alle begutachteten den Neuerwerb. Die Meinungen über die Zukunft des Autos gingen natürlich weit auseinander: Von „in dem Zustand lassen“, „schonend reparieren“ bis zu einer „totalen Restauration“.

Es wurde beschlossen, am 30.10.2011 eine Feier mit den Sponsoren, allen Mitgliedern und Gästen für das nach 103 Jahren wieder zurückgekehrte Auto zu organisieren. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg. Es wurde ein Film über die Fahrt nach Schweden gezeigt und viele Gespräche mit den ca. 50 Gästen geführt.

Ab jetzt gab es nur noch Arbeit.

Am 09.11.2011 haben wir die Karosse vom Fahrgestell abgehoben. Da stellte sich schon heraus, dass einige Holzstreben ausgewechselt werden müssen. Auch erkannten wir nun, dass der MAF wohl in seinem langen Leben einmal einen Unfall gehabt haben musste. Der Rahmen war nach rechts verzogen. Ab jetzt trafen wir uns mindestens einmal in der Woche, um den MAF wieder aufzuarbeiten. Große Mühe bereitete uns die grobe Reinigung des Fahrgestells.

Alle nicht originalen Teile, wie Lichtmaschine, Regler und Scheinwerfer, wurden entfernt. Wegen des verzogenen Rahmens demontierten wir Vorderachse und Vorderfedern. Das hintere Federgehänge war so weit ausgeschlagen, dass die Feder den Rahmen schon fast durchgeschlagen hatte. Die Federbolzen von einem Durchmesser von 11 mm waren zum Teil bis auf 5 mm abgenutzt. Nun galt es die Entscheidung zu treffen, nur zu reparieren oder eine Restaurierung mit Neulackierung vorzunehmen. Wir entschieden uns für Letzteres, wobei auch wieder die originalen Felgen mit Wulstreifen montiert werden sollten. Nach dieser Entscheidung demontierten wir den MAF komplett. Es stellte sich dabei heraus, dass viele Teile bis an ihre Grenzen verschlissen waren. Es gab aber auch Teile, denen man ihre 103 Jahre nicht ansah.

Unser Ziel war, den MAF nun wieder so herzurichten, wie er die Hallen einst in Markranstädt verlassen hatte. Nun kurz ein grober Überblick über unsere Arbeiten:

Alle Demontage- und Montagearbeiten, sämtliche Drehteile, Aufarbeiten der Baugruppen, die Nachfertigung von Zollschrauben usw. führten Mitglieder des Vereins aus. Den Rahmen strahlen, die Tischler- und Sattlerarbeiten, Farbgebung und Galvanisierung übernahmen befreundete Handwerker und Firmen. Es mussten viele Probleme gelöst werden. Lange war auch unklar, wie die Originalfarbe aussah. Bei der Reinigung der originalen Räder wurde diese freigelegt, sogar noch mit den Zierlinien. So kommt der gewählte Farbton dem Original sehr nahe.

Nach ca. 1.100 Arbeitsstunden durch die Vereinsmitglieder stand der MAF am 28.11.2012 wieder fast komplett auf seinen Rädern bereit für eine Ausstellung in Markranstädt.

Nun noch einige Details zum Auto, welches wir durch unsere Arbeit bis ins kleinste Detail kennen lernten:

  • MAF Typ D 3, im Prospekt als sogenannter Doktorwagen für drei Personen zu einem Grundpreis von 4.000 M einschließlich Werkzeug, Zubehör und Reserveteilen aufgeführt.
  • Vierzylinder Bohrung 66 mm Hub 90 mm 4,7/10 PS

Als Sonderzubehör kamen dazu:

  • Verdeck (amerikanisches Klappsystem) 150 M,
  • Glaswindschutz 145 M,
  • Auspuffklappe 30 M,
  • zwei Petroleumreservelampen mit Halter 70 M,
  • Scheinwerferanlage mit separatem Entwickler 150 M,
  • dazu noch eine Doppelzündung für 175 M.

So kostete der Wagen bei Auslieferung 4.720 M.

Vom Werkzeug und Zubehör, das ca. 30 Positionen hatte, ist nur noch der Wagenheber vorhanden. Von den anderen Extras ist, bis auf die Doppelzündung, noch alles erhalten. Die Magnetzündung besitzt noch den originalen Rudhardt Magneten mit einem separaten Zündverteiler auf der linken Motorseite von der Nockenwelle angetrieben. Die Verbindung zwischen Verteiler und Zündkerzen wird mit blankem Kupferdraht von 4 Quadrat hergestellt. Von der Batteriezündung, die vor allem beim Ankurbeln einen kräftigen Zündfunken erzeugen soll, sind nur noch der Unterbrecher an der Motorfrontseite mit dem Gestänge zur Zündeinstellung und ein Hinweisschild für den Umschalter unter dem Fahrersitz vorhanden.

Bei der Restaurierung fanden wir viele Details, die uns überraschten. So fanden wir nach Reinigungsarbeiten an diversen Teilen noch Reste von Nickel. Diese Teile wurden auch wieder vernickelt. Auch bei der Rückfahrstütze und Auspuffklappe stellten wir die Funktionstüchtigkeit wieder her.

Es ist erstaunlich, wo viele Zubehörteile hergestellt worden sind. Der Vergaser kommt von der Gudell Motoren Ges. Berlin, die Petroleumlampen von Riemann aus Chemnitz, die Petroleumrückleuchte von der Firma Hofacher MFG u. Co. aus New York, und die Azetylen Beleuchtung mit Entwickler stellte die Firma Ducellier aus Paris her.

Oberingenieur Hugo Ruppe schied 1907 aus der Firma seines Vaters aus, wo er schon Fahrzeuge konstruiert und gebaut hatte. Er gründete mit 29 Jahren die Markranstädter Automobilfabrik MAF und brachte seine Erfahrung und einen Stamm von Facharbeitern mit nach Markranstädt. In Fachkreisen muss er für seine solide Konstruktion bekannt gewesen sein, denn sonst hätte seine neu gegründete Firma nicht so schnellen Absatz von Automobilen im In-und Ausland gefunden. Was viele Vertretungen in Deutschland und auch der Export nach Schweden schon im Jahre 1908 beweisen.

Wir, die an der Restaurierung beteiligt waren, haben das Möglichste getan, die Originalität des MAF weitestgehendst wieder herzustellen.

Die Arbeit an so einem 104 Jahre alten Auto war eine große Herausforderung, die uns aber auch viel Freude bereitet hat. Zur Via Regia Classic werden wir den MAF fahrfertig und zugelassen den Teilnehmern und dem Publikum vorstellen.