Hugo Ruppe und die Entwicklung des Zweitaktmotors

von Prof. a.D. Dr.-Ing. Bruno Spessert, Weimar

Hugo Ruppe war einer der Ingenieure, die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts „Volksautomobile“ entwickeln wollten, also erschwingliche, alltagstaugliche Fahrzeuge. Dabei gelang es ihm immerhin, für die „gehobene Mittelschicht“ (Ärzte, Kaufleute…) bezahlbare und (vergleichsweise) einfach zu bedienende Automobile anzubieten.

Ruppe war außerdem ein Pionier bei der Entwicklung luftgekühlter Motoren, die im Vergleich zu wassergekühlten Motoren große Vorteile aufwiesen: Luft friert nie ein, sie kocht nicht, sie bildet keinen Kesselstein und erfordert auch keinen teuren Kühler. Ruppe glaubte daher, dass luftgekühlte Motoren ideal seien für seine „Volksautomobile“.

Gleichzeitig versuchte Ruppe, den für ein motorisiertes Fahrzeug notwendigen Aufwand auch durch die Entwicklung eines Zweitaktmotors zu verringern: Zweitaktmotoren benötigen keinen Ventiltrieb, also keine Nockenwelle, kein Getriebe für den Nockenwellenantrieb, keine Stoßstangen, keine Kipphebel und auch keine Ventile und Ventilfedern. Zweitaktmotoren konnten also viel einfacher und deshalb billiger als Viertaktmotoren hergestellt werden.

Allerdings galten Zweitaktmotoren damals (wohl nicht zu Unrecht) als „Stinker“ – die von ihnen emittierten Abgase waren (und sind bis heute) der wichtigste Nachteil dieser Motorengattung. Hugo Ruppes Vater Berthold soll die Entwicklung der „stinkenden“ Zweitaktmotoren deshalb abgelehnt haben; Hugo Ruppe durfte sie nicht in der väterlichen Fabrik entwickeln, sondern musste sich dazu in der Umgebung von Apolda eine separate Werkstatt einrichten.

erste Versuche

Zweitakt-Motoren entwickelte Ruppe also schon in Apolda und später auch in Markranstädt, Leipzig und wahrscheinlich auch während seines Militärdienstes bei der Kaiserlichen Marine (vermutlich im Marinefliegerhorst in Kiel-Holtenau); in Leipzig-Leutzsch entstand in einer Werkstatt der Schraubenfabrik Otto Teichert ein luftgekühlter Zweitaktmotor mit 40 mm Bohrung und 60 mm Hub.

DKW

Nach seinem Ausscheiden aus der Fa. MAF konzentrierte Ruppe sich ganz auf die Entwicklung dieser Motoren und stieß dabei auf das Interesse des Besitzers der Zschopauer Maschinenfabrik Jørgen Skafte Rasmussen (1878-1964). Ein als Alternative zur Spielzeug-Dampfmaschine gedachter Spielzeug-Verbrennungsmotor („Des Knaben Wunsch““, „DKW“) war zwar noch nicht wirklich erfolgreich, denn kaum eine Mutter dürfte von einem knatternden, stinkenden Motor in der eigenen Wohnung begeistert gewesen sein.

Spielzeugmotor „Des Knaben Wunsch“

Ruppes Konstruktion eines Fahrrad-Hilfsmotors war dagegen außerordentlich erfolgreich. Dieser Motor wurde ab 1919 produziert und als „Das Kleine Wunder“ („DKW“) verkauft; über 30.000 Exemplare wurden hergestellt. Dieser Motor war die Basis des Aufstiegs des Unternehmens zum zeitweise weltweit größten Motorradhersteller. Ausgerüstet war dieser Motor mit der wichtigsten Erfindung Hugo Ruppes, der Schwungradmagnetzündung. (An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Ruppe sein Studium als Diplomingenieur für Elektrotechnik (!) abgeschlossen hatte.)

Normale Fahrräder erwiesen sich allerdings als zu schwach für den Antrieb mit dem DKW-Hilfsmotor (bzw. für die mit diesem Motor erreichbaren Geschwindigkeiten). Die Kunden reklamierten also ihre zerbrochenen Fahrräder – diese Reklamationen waren dann aber nur das Problem des Fahrradherstellers und nicht des Motorproduzenten denn der Motor funktionierte ja einwandfrei… Rasmussen konnte Fahrradhersteller, die dadurch in wirtschaftliche Probleme geraten waren, übernehmen. Die Zschopauer Maschinenfabrik erweiterte auf diese Weise ihre Produktpalette; statt nur Motoren stellte sie nun komplette Motorfahrzeuge her, und zwar (im Vergleich zu Fahrrädern) stabilere „Leichtmotorräder“. Diese preiswerten, alltagstauglichen Motorräder mit Ruppes Zweitagmotor erwiesen sich als wirkliche „Volksfahrzeuge“; auch ein Arbeiter konnte sich ein DKW-Motorrad leisten.

Wegen des großen Erfolgs des von Hugo Ruppe konstruierten Fahrrad-Hilfsmotors wurde die Zschopauer Maschinenfabrik 1923 in Zschopauer Motorenfabrik umbenannt. 1932 wurde das Unternehmen Teil der Auto Union AG Chemnitz, eines direkten Vorläufers der heutigen VW-Tochter AUDI AG Ingolstadt. Ohne Hugo Ruppes „kleines Wunder“ wäre die AUDI AG nie entstanden…

Hugo Ruppe (ganz links) und der Besitzer der Zschopauer Maschinenfabrik Jørgen Skafte Rasmussen (ganz rechts)

Trotz des großen Erfolges seines Motors überwarf Ruppe sich mit Rasmussen. Der Grund dafür sollen Rasmussens Geschäftsmethoden gewesen sein; Rasmussen war ein „knallharter Geschäftsmann“, wogegen Ruppe mit Geschäftspartnern „fair“ umgehen wollte.

Nach seinem Ausscheiden aus der Zschopauer Maschinenfabrik gründete Ruppe in den 1920er Jahren mehrere eigene Unternehmen zur Herstellung der von ihm entwickelten Zweitaktmotoren: 1922 entstand die Berliner Kleinmotoren A.G. („Bekamo“) in Berlin, die bis 1924/25 Motorräder und Motorradmotoren herstellte. Seine mit Hilfe eines Kolbenverdichters („Spülpumpe“) im Kurbelgehäuse mechanisch aufgeladenen Bekamo-Motoren waren die damals weltweit leistungsfähigsten Zweitaktmotoren. 1925 bis 1930 war Ruppe an der Fa. Kaehler & Ruppe in Rumburg/Tschechien beteiligt. Und von 1927 bis 1930 stellte die Ruppe-Motor-Gesellschaft in Berlin Fahrrad-Hilfsmotoren her.

Der Spielzeugmotor „Des Knaben Wunsch“, der Fahrrad-Hilfsmotor „Das kleine Wunder“, DKW-Leichtmotorräder, von Ruppes DKW-Motoren angetriebene „Sesselräder“ oder mit den Hilfsmotoren der Berliner Ruppe-Motor-Gesellschaft ausgerüstete Fahrräder sind z.B. im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm, im Motorradmuseum Augustusburg oder im Audi-Forum Ingolstadt ausgestellt. Ein Bekamo-Motorrad der Fa. Kaehler & Ruppe befindet sich im Technischen Nationalmuseum in Prag

auf dem Gepäckträger montierter Fahrrad-Hilfsmotor („Arschwärmer“) der Marke DKW im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm (Fotos: Spessert)

DKW-Leichtmotorrad mit von einem Schwungradgebläse gekühltem Zweitaktmotor; oben in der Vitrine im Hintergrund „Des Knaben Wunsch“

Strömung im Bekamo-Motor mit „mechanischer Aufladung“ mittels einer „Spülpumpe“ im oberen Totpunkt (links) und im unteren Totpunkt (rechts)

Bekamo-Motorrad der Fa. Kaehler & Ruppe, Rumburg, Baujahr 1924; Hubraum 0,125 dm³, Leistung 6,5 PS, Höchstgeschwindigkeit 85 km/h; das Motorrad befindet sich im Technischen Nationalmuseum in Prag (Fotos: Spessert)

Fahrrad der Suhler Marke „Stahlrad“ mit Hilfsmotor der Ruppe-Motor-Gesellschaft in Berlin; Hubraum 0,048 dm³, Leistung 0,5 PS; das Fahrrad befindet sich im Besitz der Stadt Apolda (Fotos: Spessert)

Fahrrad mit Hilfsmotor der Ruppe-Motor-Gesellschaft und Reibrollenantrieb des Vorderrades; das Fahrrad befindet sich im Deutschen Zweirad- und NSU-Museum Neckarsulm (Foto: Spessert)